Heute geht es richtig los. Wir fahren vom Hotel das kurze Stück bis zur Quelle der Neiße. Hier ist unser offizieller Start der Oder-Neiße-Tour. Schön angelegt ist der Quellstein, mitten im Wald, die Sonne lugt durchs Blätterdach. Und dann radeln wir los, oder besser gesagt, wir lassen rollen. Gefühlt eine Ewigkeit, ruckzuck sind die ersten 10 km geschafft. Dann kämpfen wir uns wieder 150 Höhenmeter hoch. Auch wenn den Hauptteil der Arbeit das E-Bike leistet, werden wir auf den letzten Metern dann doch überdurchschnittlich gefordert. Treten, treten, treten, dröhnen meine Gedanken laut. Nur nicht stehenbleiben, dann musst Du schieben, das Rad samt Gepäck, ein Ding der Unmöglichkeit. Wir schaffen es, oben wird schniefend ausgeruht. Dann rollen wir wieder bergab, dann strampeln wir wiederum bergan. Auf der letzten Höhe gibts eine Pause, mit Blick auf den Jeschken mit seinem silbrig glänzenden Fernsehturm. Liberec streifen wir heute im Süden, lassen viele kleine und größere tschechische Ortschaften links und rechts liegen, es geht zügig voran. Endlich nehmen wir die Neiße als Fluss wahr, das ist Gelegenheit für die Mittagsrast am Ufer. Weiter radeln wir bergab, erreichen schließlich Deutschland, viele Schilder weisen darauf hin, das tschechische, das sächsische, das Jakobsweghinweisschild. 3.208 km ist Santiago de Compostela entfernt – ein Klacks. Wir bleiben auf unserer Route, und passieren kurz danach das Dreiländereck. Deutschland, Polen und die Tschechische Republik bilden wohl dessen Schenkel. Wir streben jetzt aber erstmal nach Zittau. Hier haben wir uns kennengelernt, hier wurde unser erster Sohn geboren, hier wohnt eine Studienfreundlin, die wir schnell mal auf ihrer Arbeit überraschen. Gelungen! Nach einem ausgiebigen Schwätzchen ziehen wir weiter, der Himmel verdüstert sich zusehends, wir legen „Turbo“ ein, und sind schon in Hirschfelde. Hier ist nun Gerd dran mit einem Rückblick, hier hat er seine Ausbildung vor vielen (vielen) Jahren absolviert. Die Villa, das damalige Lehrlingswohnheim liegt verlassen hinter einem Gitterzaun. Heut ist wohl der Tag der Erinnerungen. Hinter der Hirschfelder Fleischerei – hmm, gab es damals hier eine leckere Sülze – beginnt wieder der Radweg, im Wald, immer entlang der Neiße. Wir fliegen dahin, unter ein paar Tropfen hindurch, und schon ist es da, unser heutiges Ziel: das Kloster Marienthal. Vor 1234 erbaut, eine Zisterzienserinnen-Abtei, das wohl älteste Frauenkloster des Ordens in Deutschland, welches seit seiner Gründung ohne Unterbrechung besteht. So sagt Wikipedia. Wir streifen noch durchs Gelände und den Bibelgarten, dann beziehen wir im Gästehaus „St. Franziskus“ oben, unterm Dach, unser Zimmer. Sicher werden wir himmlische Träume träumen …